Aprubt blieb ich stehen und warf einen inzwischen deutlich erkennbar wütenden Blick nach hinten zu Schwefel, als ich hörte, wie er mir folgte. Ich drehte mich um und baute mich drohend vor ihm auf, die Krallen dabei in den Boden bohrend. "Was soll das? Hör auf, mich zu verfolgen!" knurrte ich und fixierte den Kater mit meinen hellgelben Augen.

Als der schwarze Kater sich plötzlich umdrehte und drohend aufbaute, sah ich ihn erst verständnislos an. Dann langsam duckte ich mich und legte die Ohren an meinen Hinterkopf. Langsam ließ ich den Blick gen Boden zu seinen Pfoten gleiten. Er fährt echt das volle Programm auf.. selbst seine Krallen sind ausgefahren. "Aber.. ich will nicht allein sein", miaute ich und schielte doch wieder zu ihm auf. In dem kleinen Satz war mehr Wahrheit, als ich eigentlich von mir geben wollte. Ich hatte meinen Bruder lieber als meine Mutter oder Hope. Ich wollte nicht von ihm getrennt sein.

Ich musterte ihn noch eine Weile, dann gab ich meine aggressive Haltung auf und zuckte genervt mit dem Schweif. Verdammt nochmal, schoss es mir durch den Kopf. "Hör mal zu, Kleiner", meinte ich dann. "Ich bin nicht dein Bruder. Wenn du nicht alleine sein willst, warum gehst du dann nicht zu deiner Mutter zurück? Sie macht sich bestimmt Sorgen um dich. Aber ich bin echt nicht die richtige Gesellschaft für so ein kleines Kätzchen wie dich. Also tu mir den Gefallen und schwirr ab". Ich drehte leicht das Ohr nach hinten - wenn ich noch länger wartete, würde sich die Spur noch verlieren und ich könnte den Mäusedieb gar nicht stellen. Aber zuerst musste ich diese Sache hier klären.

Sichtlich entspannte ich mich, als er seine aggressive Haltung aufgab, rührte mich jedoch nicht vom Fleck. "Die machen sich keine Sorgen um mich", miaute ich leise und war völlig überzeugt von meinen Worten, obwohl es meinem Herzen einen kleinen Stich versetzte. "Und klein bin ich auch nicht. Ich bin fast ausgewachsen!" Ernst sah ich Pech an und mein Nackenfell plusterte sich etwas auf. Dass mein Körper einfach nicht so groß werden wollte, wie der von Pech, war nicht meine Schuld! "Was suchst du eigentlich?"

Ich ging nicht auf seine Aussage, seine Familie würde sich nicht um ihn sorgen, ein - das kannte ich nur zur Genüge, da musste ich seine Geschichte nicht auch noch hören. Ich schaute ihn an und seufzte dann. "Dich werd ich heute wohl nicht mehr los, was? Du kannst aufhören, dein Fell aufzustellen, Kleiner. In meinen Augen bist und bleibst du ein Knirps, egal was du versuchst. Um auf deine Frage zu antworten - ich suche nach einem Kater. Dafür muss ich ins Clangebiet, es wird gefährlich, also mach, dass du wegkommst, klar? Ich will keine Leiche eines Jungen wegräumen müssen", miaute ich und drehte mich wieder zu der Spur um. Verdammt, sie ist fast weg - ich muss mich beeilen! Mit diesem Gedanken im Kopf senkte ich wieder die Nase und begann, der Spur zu folgen.

Ich legte mein Nackenfell wieder an, obwohl ich fand, dass mir der breitere Kragen besonders gut stand. Dann seh ich aus wie ein Löwe! Zumindest dachte ich das.. Pech hatte mich immer ausgelacht. Die Reaktion von diesem Pech war zwar nicht dieselbe, aber dicht dran! "Nein, wirst du nicht", miaute ich ganz leise und stellte mich neben ihn, um zu schnuppern. Es roch ein wenig nach Maus und - wie könnte es anders sein - anderen Katzen. "Ich helfe dir.. Mir passiert schon nichts, ich hab noch Welpenbonus!", behauptete ich und lief ihm dann aufgeregt hinterher.

Ich verdrehte genervt zum was-weiß-ich-wievielten Mal die Augen, als ich Schwefels Worte hörte, lief aber unbeirrt weiter. Er hatte wohl selber Schuld, wenn er von einer der Katzen angegriffen würde, ich half ihm dann ganz bestimmt nicht. Da würde ich mich schön raushalten, ich hatte heute schon genug von fremden Katzen. So achtete ich nicht weiter auf den Knirps und lief durch die dichten Weizen. Hey, vielleicht verliert er hier ja meine Spur? dachte ich und huschte flink davon, damit er mich nicht mehr sah.

Mit der Nase am Boden folgte ich der Spur der Maus und hatte bald den Geruch eines Katers ausgemacht, der sich mit der Maus mischte. Je weiter ich Pech folgte, desto mehr kristalisierte sich dieser besonders hervor. Das muss der sein, dem Pech folgt, schlussfolgerte ich und ließ den Schwarzen für einen Moment aus den Augen. "Ich glaub, ich hab ihn...", wollte ich stolz berichten, aber da war er auch schon weg. Nur der Weizen wackelte noch dort, wo Pech eben noch gewesen war. Ich pustete aus und schüttelte den Kopf. Glaubte er wirklich, dass er mich nun los werden würde? Ich ließ von dem Geruch ab und folgte stattdessen dem Geruch von Pech. Dabei fiel mir das erste Mal auf, dass er anders war, als der meines Bruders. Nicht viel, nur eine Note. Aber der Duft unterschied sich definitiv. Das liegt bestimmt daran, dass er schon so lange ohne mich ist, suchte ich Ausflüchte und folgte ihm.

Ich zuckte mit dem Ohr, als mir der Knirps anhand des Geruchs folgte. Gar nicht schlecht, Kleiner, musste ich widerwillig zugeben. Aber ich sprach es nicht aus, sondern warf ihm dem gelben Fell, das sich mir näherte, nur einen kurzen Blick zu, ehe ich weiterlief. Ich musste mich inzwischen mächtig anstrengen, um überhaupt noch eine Spur des Geruchs ausfindig machen zu können, deswegen beeilte ich mich. Ich achtete nicht darauf, ob er mit meiner plötzlichen Geschwindigkeit mithalten konnte, ich blieb erst stehen, als ein weitaus frischerer Gestank meinen Weg kreuzte und mir penetrant in die Nase stieg. Was zum... Ein Stinktier? Hier? dachte ich und fuhr mir angewidert mit der Pfote über die Nase, um den Geruch loszuwerden. Misstrauisch blickte ich mich nach allen Seiten um. Ein Stinktier war zwar klein, aber recht kräftig - und ein durchaus nicht zu unterschätzender Gegner.

War da vorn was? Aufmerksam drehten sich meine Ohren in alle Richtungen, als ich meinte einen dunklen Schatten zu sehen. Hat er auf mich gewartet? Ein Lächeln stahl sich auf meine Züge, ehe ich die Stelle aufsuchte, an der sich eben noch der Schatten befunden hatte. Prüfend schnupperte ich am Boden und an den Halmen um mich herum. Ja, Pech hatte tatsächlich auf mich gewartet. Freudig folgte ich weiter seinem Geruch und merkte auch schon bald, dass er sich immer weiter von dem Geruch entfernte, dem er eigentlich folgte. Dafür nahm ich etwas anderes wahr. Interessiert folgte ich dem Gestank, bis ich wieder neben Pech stand. "Was ist das?", fragte ich neugierig und ging zwei Schritte an ihm vorbei.

Ich blieb absolut regungslos stehen und duckte mich erst dann knurrend, als sich etwas näherte. Einen Moment später erkannte ich Schwefel und hörte auf zu knurren, gab meine Haltung aber nicht auf - das Stinktier war hier irgendwo ganz in der Nähe. Ich warf dem kleinen Kater neben mir einen Blick zu und schnippte ihm verärgert mit dem Schweif über die Schnauze, um ihm zu bedeuten, dass er still sein sollte. Dann begann ich, langsam und vorsichtig, das Bauchfell dicht an den Boden gedrängt, vorwärts zu schleichen, immer weiter in die Richtung der Quelle des frischen Gestanks.

Als mir Pech nicht folgte, blieb ich stehen und sah zu ihm zurück, doch da hatte ich bereits seinen Schwanz im Gesicht. Gerade wollte ich mich beschweren, da bemerkte ich seinen ernsten Gesichtsausdruck und hielt inne. Oh.. ooooh! Wie Schuppen fiel es mir von den Augen, dass hier etwas nicht in Ordnung war. Ich immitierte seine Haltung, indem ich mich tief an den Boden drückte und krabbelte ihm dann langsam hinterher. Dabei achtete ich darauf, dass ich ab sofort immer hinter ihm blieb. Was stinkt bloß so sehr? Angewidert verzog ich meine Schnute und wollte Pech schon fast nicht mehr folgen.

Ich achtete nicht darauf, dass Schwefel mir folgte, viel zu beschäftigt war ich damit, kein Geräusch von mir zu geben. Erst, als schwarz-weißes Fell dicht vor mir aufblitzte, blieb ich stehen und duckte mich noch tiefer zwischen die Halme. Mein Ohr drehte sich nach hinten, zu Schwefel. Was jetzt? Soll ich angreifen? Oder lieber flüchten?

Der Geruch war mittlerweile schon fast unerträglich und am liebsten wäre ich wieder umgedreht. Als Pech dann stehen blieb, holte ich zu ihm auf und blieb an seiner Flanke stehen. Die Anspannung, die der Kater zeigte, ließ mich stumm bleiben und mich enger an ihn drängen. Für einen Moment rieb ich meinen Kopf an seinem Hinterlauf, ehe die Neugierde siegte und ich ihn fragend mit der Nase anstupste. Was ist denn da jetzt? Ob ich einfach an ihm vorbei gehen sollte? Aber warum war er dann so angespannt?

Ich drehte kurz den Kopf und blickte Schwefel scharf an - er sollte bloß kein Geräusch von sich geben. Das Stinktier hatte noch nicht angefangen, sein Revier mit Geruch zu markieren, sonst würde es noch bestialischer stinken als ohnehin schon, und ich wollte es nicht unnötig auf uns aufmerksam machen. Mit einer lautlosen Bewegung meines Schweifes bedeutete ich dem Knirps, er solle sich ein paar Schritte entfernen, dorthin zwischen die Halme, die ihn vor dem Stinktier schützen würden. Warum ich ihn nicht einfach seinem Schicksal überließ, war mir unklar - vielleicht erinnerte er mich zu sehr an jemanden? Aber an wen sollte er mich schon erinnern - ich hatte immerhin nur meine Familie gehabt, und die war tot.