Ich nickte und sah noch kurz Eulenstern hinterher, ehe ich mir eine Amsel zu schnappte und mich an den Rand des Lagers verzog. Ich machte es mir bequem und begann meine Beute zu verzehren.
Der Wind wehte mir entgegen, sodass das Kaninchen mich nicht bemerkte. Als ich nah genug war, sprang ich nach vorn auf das Kaninchen. Das braune Tier hatte nicht einmal die Chance fortzulaufen. Zufrieden machte ich mich auf den Rückweg und hoffte da noch etwas zu finden. Auf dem Weg zu unserem Treffpunkt fing ich ein weiteres Kaninchen und eine unvorsichtige Amsel. Es war schwer die gesamte Beute zurück zu tragen, doch schließlich kam ich keuchend bei Eulenstern an und ließ meine Ausbeute fallen. "Wie ich sehe, lief es bei dir auch sehr gut.", meinte ich noch immer außer Atem mit einem Blick auf seine Ausbeute.
Tief sog ich die frische Luft ein und zuckte mit den Ohren, um ein paar Regentropfen abzuschütteln. Als Eulenstern meinte, wir würden uns aufteilen, nickte ich. "Alles klar. Viel Erfolg euch beiden.", sagte ich und machte mich auf den Weg. Eilig lief ich los, spürte das Gras unter meinen Pfoten und den Wind in meinem Fell. Ich fühlte mich frei. Ich wurde schneller, bis meine Pfoten kaum noch den Boden berührten. Nach einiger Zeit blieb ich stehen. Der Geruch von Kaninchen stieg mir in die Nase. Ich duckte mich tief ins Gras und schlich vorsichtig näher.
Jagen? Aufmerksam stellte ich die Ohren auf und sprang auf die Pfoten. "Ich bin dabei.", sagte ich sofort und unterdrückte vorerst das Kribbeln in meinen Pfoten und die Vorfreude darauf, gleich ausgiebig laufen zu können. Ich war froh, dass Eulenstern mich gefragt hatte. So hatte ich gleich eine Aufgabe.
Ich folgte seinem Blick. "Ich bin mir sicher. Ich werde bleiben.", sagte ich ernst. Und auf Schnee warten. Für mich gab es keine Zweifel mehr. Ich würde bleiben, wenn Eulenstern es erlaubte.
Ich war froh, dass er so freundlich reagierte und nickte ihm dankend zu und begann dann zu überlegen. "Mit den Grundzügen des Clanlebens kenne ich mich aus und auch von den Gesetzen habe ich schon mal etwas gehört.", erklärte ich. Dann erzählte ich weiter. "Ich bin ein schneller und ausdauernder Läufer, was mir auch durchaus bei der Jagd von Vorteil ist. Generell würde ich mal behaupten, dass ich ein guter Jäger bin. Auf weiten Ebenen bin ich definitiv in meinem Element." Ich überlegte kurz. "Ich kann durchaus gut kämpfen, verlasse mich dabei aber lieber auf meinen Kopf und eine ausgeklügelte Strategie. Wie man vielleicht sieht, bin ich nicht gerade von großer Muskelkraft gesegnet." Ich sah an meinen schlanken Beinen herunter. Ich war definitiv ein besserer Läufer. Von Kraft war ich nicht gerade gesegnet, was mich allerdings nicht weiter störte. "Ich habe unheimlichviel Geduld. Es dauert lange, um mich aus der Fassung zu bringen, aber wenn es um meine Familie oder Freunde geht, würde ich alles tun. Bedingungslos." Noch einmal hielt ich kurz Inne. "Ich hasse nichts mehr als Ungerechtigkeit und auch wenn es mir schwer fällt, Gefühle zu zeigen, heißt das nicht, das ich keine habe." Ich sah Eulenstern an. Hatte ich jetzt zu viel gesagt?
Ich nickte. Natürlich wollte er die Geschichte lieber von mir selbst hören. "Bisher gab es eigentlich immer nur meine Schwester Schnee und mich. Eines Tages hörte sie diese Geschichte von den Clans, die ihr ein alter Streuner erzählte. Sie hat mir solange zugeredet, bis ich zugestimmt habe, sie hier her zu begleiten." Unter meine sonst eher ernste Stimme mischte sich bei dem Gedanken ein leichtes Schnurren, welches ich aber schnell wieder unterdrückte. "Auf unserem Weg hier her verliebte sich meine Schwester in einen Kater. Das Problem war nur, dass er mich absolut nicht leiden konnte. Er versuchte sie gegen mich auszuspielen, damit er mehr Zeit mit ihr verbringen konnte. Irgendwann kam es auf einer dieser Zweibeinerbrücken zum Streit. Ich hatte die Nase voll von ihm und wollte das er geht. Wir waren gerade dabei die Sache zu klären, als plötzlich ein Monster auf uns zugerast kam." Ich zögerte kurz und wandte meinen Blick auf meine Pfoten. "Ich kann mich nicht genau erinnern was passierte. Ich weiß nur noch, das Schnee mich beiseite stieß, dann war da ein Schrei und meine Schwester fiel von dieser Brücke in den Fluss. Ich hab versucht sie zu finden, aber wahrscheinlich hat die Strömung sie fortgetrieben." Ich schüttelte den Kopf und sah wieder zu Eulenstern. "Sie ist mit Sicherheit weiter flussabwärts wieder aus dem Fluss gekommen. Da ich sie aber nicht finden konnte, hab ich gedacht, dass sie möglicherweise schon voraus gelaufen ist." Ich verschwendete nicht einen Gedanken daran, das meine Schwester möglicherweise nicht mehr am Leben war. Nicht weil ich dumm war. Eher weil ich es nicht wahr haben wollte, dass ich jetzt komplett allein war. "Naja. Ich muss vor ihr hier angekommen sein und möchte mich jetzt schon mal dem Clan anschließen." Damit beendete ich meine Erzählung. Meine Stimme hatte die ganze Zeit eher nüchtern geklungen, was für mich allerdings nicht ungewöhnlich war. Ich zeigte nicht oft Gefühle. Im Gegensatz zum Rest meiner Familie, war mir das schon immer schwer gefallen. Ich sah Eulenstern mit festem Blick an. Was wird er jetzt wohl sagen?